Jolicloud: Linux für Netbooks
Andrea Müller

Jolicloud: Linux für Netbooks


Das Netbook zu einem Teil der Cloud zu machen, das verspricht Jolicloud Linux von Netvibes-Gründer Tariq Krim. Mit der Pre-Beta ist das Netbook-Linux erstmals für jedermann zugänglich.

Nach langer Alpha-Phase ist seit kurzem das Netbook-Betriebssystem Jolicloud Linux von Netvibes-Gründer Tariq Krim für jedermann als Pre-Beta erhältlich. Jolicloud-Linux soll laut Aussage der Macher das Netbook und seinen Nutzer zu einem Teil der Cloud werden lassen. Eine eigene Icon-basierte Oberfläche fernab vom klassischen Desktop enthält alle Verknüpfungen zu lokalen Anwendungen und Web-Diensten sowie zur Einrichtung des Systems und der Nachinstallation weiterer Software.

Über das Icon "Get Started" kann man einen Jolicloud-Account anlegen und sein Netbook registrieren.

Gefahrlos testen

Laut der Jolicloud-Website unterstützt das System schon mehrere hundert Netbooks, doch nach Erfahrungsberichten in User-Foren kann man dem System auch eine Chance geben, wenn man ein anderes Modell verwendet. Angst um ein eventuell schon installiertes Windows muss man dabei nicht haben, denn extra für unerfahrene Nutzer stellt das Team die Express-Variante zur Verfügung. Die ausführbare exe-Datei installiert Jolicloud in einer virtuellen Festplatte auf einem Windows-Laufwerk und hinterlegt einen Eintrag im Windows-Bootmanager. Will man Jolicloud wieder loswerden, etwa weil es mit der Hardware nicht zurechtkommt, löscht man einfach die virtuelle Partition und den Eintrag im Windows-Bootmanager.

Nicht ganz so kinderleicht,dafür aber flinker, ist die Installation auf einer eigenen Partition. Dazu muss man sich das 600 MByte große Jolicloud-CD-Image herunterladen. Da Netbooks in der Regel kein optisches Laufwerk haben, bieten die Entwickler den Jolicloud-USB-Creator für Linux, Mac OS X und Windows an, der aus dem Image einen bootfähigen USB-Stick erzeugt. Unter Linux muss man dazu das Skript jolicloud-usb-creator-1.2.0.sh ausführbar machen und starten und im folgenden Dialog das heruntergeladene Image sowie die Gerätedatei des USB-Sticks auswählen. Ein Klick auf "Create" transferiert das System dann auf einen USB-Stick, von dem man Jolicloud booten kann.

Beim Start hat man die Wahl, entweder im Live-Modus zu starten oder gleich mit der Installation zu beginnen. Die Installation ist auch aus dem Live-System heraus mit dem entsprechenden Desktop-Icon möglich. Dabei merkt man dann deutlich, dass Jolicloud Ubuntu als Unterbau verwendet. Am bewährten Ubuntu-Installer haben die Entwickler nichts geändert, sodass man sich mit ein wenig Ubuntu-Erfahrung sofort zurechtfindet.

Erste Schritte

Nach dem ersten Start begrüßt einen die Oberfläche von Ubuntu Netbook Remix. Bevor man das System jedoch sinnvoll nutzen und Anwendungen nachinstallieren kann, muss man sein Netbook über das Icon "Get Started" registrieren und zurvor -- falls noch nicht vorhanden -- einen Jolicloud-Account anlegen. Er erwartet die Eingabe eines Benutzernamens und Passworts sowie die einer gültigen E-Mail-Adresse.

Die folgenden beiden Dialoge, in denen man ein Profil anlegt und einen Avatar hochladen kann, kann man überspringen. Diese Einstellungen lassen sich auch nachträglich noch bequem über das Jolicloud-Dashboard vornehmen. Beim Profil bietet das System an, die Daten eines Facebook-Accounts zu importieren, was in unserem Test jedoch nicht funktionierte. Als Avatar kann man auch sein Twitter-Profil-Bild verwenden, was Jolicloud ohne Probleme importierte.

Nach der Eingabe des Bestätigungs-Codes wählt man dann sein Netbook-Modell aus und gibt dem Gerät einen Namen. Was Sie als Modell auswählen ist egal, es fließt lediglich in die Nutzerstatistik des Projekts ein. Oft wird man sich für irgendeines der Modelle entscheiden müssen, denn in der Drop-down-Liste findet man nur die offiziell von Jolicloud unterstützten Geräte.

Im Jolicloud-Menü findet man eine Liste der Jolicloud-User und kann ihnen per Mausklick folgen.
Nach dem Anspruch ein "social OS" zu sein, sollen später die registrierten Jolicloud-User perfekt untereinander vernetzt sein –so kann man schon jetzt anderen Jolicloud-Nutzern folgen und nach registrierten Nutzern suchen.

Dass man es mit mehr als mit einem Abklatsch von Ubuntu Netbook Remix zu tun hat, merkt man spätestens beim Durchstöbern der Anwendungskategorien. Große Desktop-Brocken wie Gimp und OpenOffice haben die Entwickler bewusst nicht in die Standard-Distribution integriert, sie lassen sich jedoch problemlos nachinstallieren. Gut ausgestattet ist lediglich das Menü mit Internet-Anwendungen, wo man unter anderem Firefox, den IM-Client Pidgin und die Jolicloud-Facebook-App findet.

Dabei handelt es sich wie auch bei den nachinstallierbaren Web-Programmen um eine Prism-Anwendung. Dieses Mozilla-Projekt hat das Ziel, Webanwendungen in den Desktop zu integrieren. Dabei enthält jede Web-Applikation ein eigenes, auf sie zugeschneidertes Prism-Programm mit Browser-Engine, dass die Web-Anwendung getrennt von allen anderen Browser-Prozessen ausführt. Die vorinstallierte Facebook-App konnte nur bedingt überzeugen, da es ihr sporadisch nicht gelang, sich mit dem eingerichteten Facebook-Konto zu verbinden. Die Vorauswahl an Prism-Programmen für Web-Dieste ist außerdem recht mager: Man findet nur die für Facebook und Twitter.

Der erste Reiter der Software-Auswahl zeigt die populärsten Programme.
Nachschub gibt es im Software-Installer, der neben Web-Apps auch klassische Desktop-Anwendungen wie das oben erwähnte OpenOffice enthält. Um von dort aus Anwendungen zu installieren, klickt man auf das Wolkensymbol in der Systemleiste. Daraufhin öffnet sich das Jolicloud-Menü, wo man seine Account-Einstellungen, Update-Benachrichtigungen und das "App Directory" findet. Mit einem Klick darauf kann man in der Auswahl stöbern. Die Programme lassen sich wahlweise als Icons, in einer detaillierten Liste oder nach Kategorien sortiert anzeigen.

An Prism-Anwendungen für Web-Dienste findet man dort unter anderem solche für den Freemail-Dienst von Google, den Datenspeicher Drop Box und ein Client für den Streaming-Dienst Spotify. Gut gelungen ist die Gmail-App, die einem das Gefühl gibt, mit einem lokal installierten Client zu arbeiten. Sie läuft ausgesprochen stabil, was leider noch nicht für alle Prism-Anwendungen gilt. Standardmäßig laufen die Programme im Vollbildmodus, lassen sich aber per Doppelklick auf die obere Leiste in ein klassisches Fenster bannen. Die Installation von Anwendungen ist denkbar unkompliziert mit nur einem Mausklick erledigt und über die danach aktive Schaltfläche "Deinstall" wird man die Software wieder los.

Hat man eine Anwendung ausgewählt, lässt sie sich per Mausklick installieren.

Fazit

Dank des gut getesteten Ubuntu-Unterbaus läuft die Beta von Jolicloud sehr stabil, auch wenn es bei einigen der Prism-Anwendungen gelegentlich noch hakt. Komplett ist das System noch nicht, dazu gibt es einfach zu wenige Anwendungen für Web-Dienste. Die Pre-Beta erlaubt aber schon einen guten Ausblick darauf, wohin die Reise bei Jolicloud gehen soll.

Uns gefiel besonders gut, dass Jolicloud weniger radikal auf das Web setzt als beispielsweise Chome OS, bei dem der Browser als Desktop dient und mit dem man ohne Internetverbindung praktisch nichts anfangen kann. Das System könnte, wenn es weiter so aktiv entwickelt wird wie bisher, ein guter Kompromiss zwischen klassischen Desktop-System und Netbook-Distribution mit dem Fokus auf Web-Anwendungen werden. Dass man es mit dem Windows-Installer risikolos ausprobieren kann, ist ein weiterer Pluspunkt.

Eher als nettes, aber überflüssiges Gimmick empfanden wir die noch nicht komplett fertiggestellten Pläne für ein "social OS". Es ist zwar nützlich zu erfahren, welche Apps andere Jolicloud-Nutzer favorisieren, aber um deren Tweets zu folgen oder per Facebook mit ihnen zu netzwerkeln, dürfte ein gemeinsam genutztes Betriebssystem nicht ausreichen. (amu )

Quelle: http://www.heise.de/open/
 
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